1956 wurden die IHKs vom Gesetzgeber beauftragt, für „Anstand und Sitte des Ehrbaren Kaufmanns“ zu wirken. Neben dem klassischen Kanon der IHK-Aufgaben – der Vertretung des Gesamtinteresses der gewerblichen Wirtschaft, den Services für die Unternehmen und der Übernahme hoheitlicher Aufgaben – stellt das Wirken für das Leitbild des Ehrbaren Kaufmanns die vierte Säule der IHK Arbeit dar. Viele Produkte und Maßnahmen der IHKs befassen sich bereits mit konkreten Sachverhalten, die unmittelbar mit dem Ehrbaren Kaufmann verknüpft sind, so beispielsweise in der Berufsbildung, dem Wettbewerbsrecht und dem Umweltschutz.

Doch der Auftrag des Gesetzgebers ist weitreichender und erfordert ein klares, aktives Eintreten der IHKs für Fairness und Nachhaltigkeit im Wirtschaftsleben. Aus diesem Grund hat der BIHK e.V. im Januar 2012 den Ehrbaren Kaufmann als eines von fünf Exzellenzthemen festgelegt.

In Zeiten des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wertewandels besitzt dieser Schritt besondere Relevanz. Insbesondere die Wirtschafts- und Finanzmarktkrise hat der Glaubwürdigkeit marktwirtschaftlicher Ordnungen geschadet. Individuelles Fehlverhal-ten und öffentliche Debatten haben in der Gesellschaft einen Vertrauensverlust gegen-über Wirtschaft und Politik hervorgerufen. In der Folge hat auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene die gesellschaftlich, ökologisch und ökonomisch verantwortungsvolle Unternehmensführung (Corporate Social Responsibility (CSR)) erheblich an Bedeutung gewonnen. Politik, Verbraucher, Anleger und NGOs interessieren sich zunehmend dafür, ob Unternehmer Verantwortung übernehmen und inwiefern sie die Wirkung ihres Handelns hinterfragen.

Vor diesem Hintergrund hat sich der BIHK darauf verständigt, das traditionelle Leitbild der IHK, den Ehrbaren Kaufmann, neu aufzubereiten und sich im modernen Diskurs um die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen mit einer substantiellen theore-tischen Fundierung seines Leitbildes zu positionieren.

Hierfür ist es wichtig, einen Bogen zwischen der Figur des Ehrbaren Kaufmanns und dem modernen CSR-Managementkonzept zu schlagen. Nur so lässt sich das traditionelle Leitbild der IHK in die Moderne überführen. Gleichzeitig können die IHKs mit dem Ehrbaren Kaufmann einen wertvollen Beitrag für die aktuelle CSR-Debatte leisten und diese aktiv vorantreiben. Die Verbindung beider Konzepte bildet das Fundament der IHK-Arbeit.

Anders als der abstrakte Begriff CSR spricht die emotional bindende Figur des Ehrbaren Kaufmanns den Unternehmer persönlich an. Der Ehrbare Kaufmann ist eine innere Haltung. Diese Haltung zeichnet sich durch ökonomische Tugenden aus. Ein Ehrbarer Kaufmann folgt beständigen Werten und klaren Prinzipien. Er zeigt Geschäftspartnern, Investoren, Kunden und Mitarbeitern, dass die gemeinsame Arbeit auf Vertrauen basiert. Ein Ehrbarer Kaufmann nimmt die langfristigen Folgen seiner ökonomischen Entscheidungen in den Blick. Durch Umsicht und Aufgeschlossenheit gegenüber anderen Interessen öffnet er sich für Potenziale, Herausforderungen und gesellschaftliche Trends.

Die Haltung des Ehrbaren Kaufmanns bildet den Kern der modernen Diskussion um gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen. CSR als Managementsystem bietet ein Bündel an Maßnahmen und Instrumentarien zur systematischen Übernahme von Verantwortung im Unternehmen an. Es handelt sich dabei nicht um ein einzelnes Projekt, sondern um einen langfristigen Prozess. Die nachhaltige Positionierung als verantwortliches Unternehmen setzt voraus, kontinuierlich daran zu arbeiten, um CSR strategisch im Kerngeschäft zu verankern. CSR umfasst dabei die drei Säulen der Nachhaltigkeit, Gesellschaft, Ökologie und Ökonomie, und erstreckt sich auf die gesamte Wertschöpfungskette. Im Gegensatz zu CSR bezieht sich Corporate Citizenship (CC) nicht auf die Kerngeschäftstätigkeit eines Unternehmens, sondern bezeichnet das gesellschaftliche und bürgerschaftliche Engagement eines Unternehmens im Rahmen von Spenden, Sponsoring, Stiftungswesen.

Der Ehrbare Kaufmann und CSR greifen direkt ineinander: CSR dient dazu, die Haltung des Ehrbaren Kaufmanns für das Unternehmen zu objektivieren und fruchtbar zu machen. Insofern ist CSR die logische Ergänzung des Ehrbaren Kaufmanns und setzt an der Grundlage des Unternehmens an. Umgekehrt lassen sich CSR-Maßnahmen nur dann glaubwürdig umsetzen, wenn die Haltung des Ehrbaren Kaufmanns („Vorleben“) zu Grunde liegt.

Die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung schafft die Grundlage, langfristig als guter Partner wahrgenommen zu werden, mit dem man gerne Geschäfte macht. Verantwortliche Geschäftsführung schafft Wettbewerbsvorteile und sichert die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens. Die Auseinandersetzung mit dem Ehrbaren Kaufmann / CSR hat somit nichts mit Verzicht oder Gutmenschentum zu tun, sondern mit langfristigem verantwortlichem Management.